EOTRH - Ein Überbegriff, viele Gesichter

Fistelkanal durch Entzündung der Pulpa (das Leben des Zahns) nach einer längst vergessenen Trittverletzung

EOTRH ist eine Art Sammelbegriff für verschiedene Ausprägungen einer Erkrankung mit vielen Gesichtern. Die Unterschiede bestehen hauptsächlich darin, dass der Anteil an resorptiven (auflösenden) und hyperzementotischen (Zement aufbauenden) Prozessen in unterschiedlichen Geschwindigkeiten und Schweregraden ablaufen. 

Dadurch wird es allerdings schwierig alles in einen großen EOTRH-Topf zu werfen, da das häufig nahelegt, dass auch für alle Ausprägungen immer die selbe Therapie passend wäre. Besonders im Hinblick auf eine Entscheidung zur Extraktion ergeben sich hier gravierende Unterschiede in der Einschätzung von Schmerzhaftigkeit und Verlauf. Zudem sollte immer beachtet werden, dass nicht jede Veränderung im Schneidezahnbereich auch EOTRH ist. Es gibt auch hier eine Vielzahl an Differenzialdiagnosen, die in die Therapieentscheidung eingeschlossen werden müssen. So bedeutet auch nicht jeder Fistelkanal zwingend eine EOTRH-Erkrankungen. Manchmal handelt es sich auch „einfach“ um eine Wurzelentzündung oder eine Entzündung des Zahnhalteapparates des Einzelzahnes.

Die hyperzementotische Form

Bei manchen Pferden findet die Entwicklung der EOTRH langsam und schleichend statt. Bei Ihnen findet man kaum Entzündungssymptome und registriert die Erkrankung erst, wenn sich die Knollen der Zahnwurzeln schon unter dem Zahnfleisch vorwölben. Bei diesen Pferden finden auch die unten aufgezählten entzündlichen Prozesse deutlich moderater statt. So kann hier mit einer kombinierten Therapie aus der Fütterung von Heilpilzen und einer Druckentlastung der Schneidezähne der Verlauf deutlich verlangsamt werden. Oftmals können in solchen Fällen auch die Zähne erhalten werden, wenn nicht mechanische Probleme (mangelnder Lippenschluss) eine Extraktion nötig machen.

Die resorptive Form

Bei anderen Pferden findet die Veränderung innerhalb weniger Monate statt. Hier ist das Geschehen oftmals hochgradig schmerzhaft und es finden neben der Knollenbildung finden noch weitere entzündliche Prozesse im Bereich der betroffenen Zähne statt:

Häufig sind chronische Zahnfleischentzündungen festzustellen. Die Schleimhaut ist stark gerötet und wird wulstig. Später zieht sie sich immer weiter zurück und legt die Reservekrone immer weiter frei. Im Extremfall entstehen eitrige Fistelkanäle im Bereich der Zahnwurzeln. Diese Pferde sind oftmals jünger (meist ab 10 Jahren) und in diesem akuten Entzündungszustand hochgradig schmerzhaft, insbesondere auch beim Bearbeiten der Schneidezähne und beim öffnen des Maulgatters. 

Hier ist eine Extraktion häufig unumgänglich, um dem Pferd weitere Schmerzen zu ersparen. 

Mischformen

Die Kanüle zeigt die Aufgelöste Zahnsubstanz, die meist durch eine käsige, eitrige Masse ersetzt wird (in diesem Fall ein extrahierter Hengstzahn)

Da im Leben selten etwas rein schwarz oder weiß ist, gibt es auch bei diesem Krankheitsbild Mischformen. Das heißt im wahrsten Sinne des Wortes, dass im Röntgenbild selten alles nur homogen weiß (hyperzementotisch) oder schwarz (resorptiv) aussieht.

Diese Mischformen führen dazu, dass einzelne Zähne sehr stabil und entzündungsfrei sind, während der Nachbarzahn vielleicht schon anfängt zu wackeln oder eine eitrige Entzündung ausbildet. Besonders in diesen Fällen muss die klinische Symptomatik mit dem Röntgenbild verglichen werden. 

Auch der Verlauf spielt immer wieder eine große Rolle bei der Entscheidung, ob einzelne Zähne nur entlastet, oder extrahiert werden müssen. Bei der Behandlung von EOTRH Patienten setze ich meist ein Behandlungsintervall von 6, maximal 9 Monaten an und speichere parallel zu den Röntgenbildern auch Fotos der Schneidezähne, um vergleichen zu können, ob eine Veränderung stattgefunden hat. 

Starke Zahn­stein­bildung kann, muss aber kein Anzeichen für die EOTRH-typischen Ver­änder­ungen sein. Auf­schluss bringt hier, im Zweifel, nur ein Röntgen­bild

Die Zusammensetzung des Speichels scheint sich bei einigen Pferden zu verändern. Die Pferde speicheln stärker und der Speichel hat manchmal die Konsistenz von Eiklar.

Auch die Zahnsteinbildung findet bei Pferden mit EOTRH häufig rasant statt. Besonders auf den Hengstzähnen bilden sich massive Knollen aus mehreren Schichten Zahnstein. Das passiert bei einigen Pferden jedoch auch ohne EOTRH.

Durch die fortschreitende Veränderung der Zahnwurzeln und Reservekronen (der Teil der eigentlich im weiteren Leben herausgeschoben und abgenutzt werden soll)  wird der Knochen des Zahnfachs immer weiter verdrängt. Auch hier finden entzündliche Vorgänge statt, die sich im Röntgenbild darstellen lassen.

 

Die Pferde zeigen oftmals auch Wesensveränderungen, die auf die schmerzhaften Prozesse zurück zu führen sind: Besonders ältere Pferde sondern sich aus der Herde ab, werden misslaunig und biestig. Im Fressverhalten ändert sich bei den meisten lange Zeit nichts, woraus viele schließen, dass die Zahnschmerzen „ja doch nicht so dramatisch“ sein können.

Entstehen derartige Fistelkanäle im Bereich der Zahn­wurzeln, be­steht drin­gender Hand­lungs­bedarf. Hier findet eine massive Ent­zün­dung statt und ist in der Regel auch mit Schmer­zen ver­bun­den! Hier ist zusätzlich auch eine starke Abnutzung der Frontzähne durch eine Fressbremse zu sehen.

Sind jedoch die oben beschriebenen Entzündungszeichen und Symptome vorhanden und die mittlerweile sicherlich angefertigter Röntgenbilder bestätigen die Diagnose EOTRH, muss gehandelt werden. Falls noch nicht geschehen, kann über eine bessere Ausbalancierung des Gebisses mit Druckentlastung der Schneidezähne noch einmal versucht werden, ob sich der Zustand wieder verbessern lässt. Tut sich hier jedoch innerhalb eines absehbaren Zeitraumes nichts, kann nur noch zur Extraktion der betroffenen Zähne geraten werden.

Auch dieser Schritt ist allerdings kein Weltuntergang: Pferde kommen auch hervorragend ohne Schneidezähne aus. Für ihre Rau- und Kraftfutterration benötigen sie ohnehin keine Schneidezähne und sogar grasen geht ohne Zähne noch erstaunlich gut. Die Pferde zupfen das Gras mit ihren Lippen und stellen sich hier bereits nach kürzester Zeit sehr geschickt an.

Warum aber auch der Schritt zur Totalextraktion immer genau geprüft und abgewogen werden sollte, lesen Sie hier.

Literaturquellen

Equine odontoclastic tooth resorption an hypercementosis. Hole S.L., Staszyk C., Equine Vet Educ. 2016

A new understanding of oral and dental disorders oft he equine incisor and canine teeth, Earley E. et al. Vet Clin North Am Equine Pract 2013

Novel treatment of EOTRH of incisor teeth in a 22-year old arabian mare, Grier-Lowe C.K. et al. Can Vet J, 2015

Radiological prevlance of equine odontoclastic tooth resorption and hypercementosis. Equine Vet J. Rehrl S, Schröder W, Müller C, Staszyk C, Lischer C (2017)

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