Die Schneidezähne - das Tor zur Maulhöhle
Zusammen mit dem Kiefergelenk und der Kaufläche der Backenzähne bilden die Schneidezähne den dritten Anteil eines ausgeklügelten Gleichgewichts, das einen physiologischen Kauvorgang ermöglicht.
Da die Schneidezähne, wie im Kapitel über die Wildpferde bereits ausgeführt, bei unseren Hauspferden aber kaum noch Abnutzung erfahren, werden sie oftmals immer länger. Dadurch verschiebt sich das Druckgleichgewicht zwischen Kiefergelenk, Backenzahnkaufläche und Schneidezähnen. Die Backenzähne stehen weiter auseinander, dadurch muss das Pferd mehr Druck ausüben, um auch kleine Haferkörner oder feines, weiches Heu noch mahlen zu können. Belastet wird schließlich besonders das Kiefergelenk und die Schneidezähne, die häufig entzündlich auf diesen Dauerstress reagieren.
Werden dann zusätzlich nur die Backenzähne bearbeitet und hierbei aufgrund von Wellen oder Rampen auch die Kaufläche stark geschliffen, gerät dieses Ungleichgewicht noch weiter aus den Fugen. Schließlich entsteht das, für alte Pferde „typische“ Pinzettengebiss, bei dem sich die Schneidezähne immer weiter herausdrücken und Parodontosen. Auch die Entstehung von EOTRH aufgrund von erhöhtem Druck (neben weiteren Faktoren) wird aktuell diskutiert.
Um Drucküberlastungen des Schneidezahnhalteapparates zu vermeiden sollte vor und nach der Behandlung immer die Okklusion (Reibung) der Backenzähne kontrolliert und wenn nötig durch gezieltes Einkürzen der Schneidezähne verbessert werden.
Umgekehrt kann man bei der allgegenwärtigen Diskussion über EOTRH und die Extraktion von Schneidezähnen zu dem Eindruck gelangen, dass die Schneidezähne beim Pferd ohnehin nahezu überflüssig sind. Hier macht es immer wieder Sinn sich vor Augen zu halten, dass die Schneidezähne neben dem Abzupfen von Gräsern und dem Nagen an Holz auch für das Sozialverhalten eine wichtige Rolle spielen. Sowohl beim Austragen von Rangordnungsstreitigkeiten, als auch bei der Fellpflege sind die Schneidezähne aus Sicht der Pferde sicher kaum zu ersetzen.
Eine diagonale Schneidezahnkontur kann sowohl die Ursache, aber auch die Folge einer asymmetrischen Bemuskelung oder eines asymmetrischen Bewegungsablaufes sein. Häufig kann man aufgrund der angekauten Schiefe schon Rückschlüsse ziehen welches die hohle Hand beim Reiten ist und in welche Richtung sich die Muskulatur verkürzt hat.
Tritt eine derartige Schiefe immer wieder auf, sollten solche Befunde systematisch angegangen werden. Nur so lassen sich langfristige orthopädische Probleme verhindern oder zumindest abschwächen. Meist ist eine längerfristige Zusammenarbeit mehrerer Pferdefachleute notwendig, um solche Probleme in den Griff zu bekommen.
Zunächst sollte die Ursache gesucht werden. Das kann sowohl ein Zahnproblem, häufiger aber auch eine orthopädische Symptomatik sein. Manchmal liegt das Problem im wahrsten Sinne des Wortes auch weiter oben und entweder der Sattel ist schief, oder auch der Reiter selbst.
Ein wichtiger Baustein ist natürlich die Wiederherstellung einer gleichmäßigen Okklusion der Zähne, einschließlich der Begradigung der Schneidezähne.
Im Anschluss ist jedoch genauso wichtig, dass die muskuläre Verspannung und Blockaden gelöst werden. Bei Pferden mit bekannten Problemen ist es geschickt die Zahnbehandlung und den anschließenden Termin mit Osteopath/in oder Chiropraktiker/in so zu timen, dass ca. 10-14 Tage zwischen den Terminen liegen. Auch der Trainingsplan sollte entsprechend mit dem Reitlehrer oder Physiotherapeuten angepasst werden.
Aus eigener Erfahrung macht es Sinn bei immer wieder auftretender Schiefe, Taktstörungen oder sogar Lahmheiten lieber einmal konsequent eine umfangreiche, systematische Diagnostik in einer spezialisierten Klinik zu betreiben, als frustriert immer wieder an neuen Symptomen herum zu doktern. Mittlerweile gibt es durch Hilfsmittel wie den „Lameness locator“ die Möglichkeit auch komplexe Lahmheiten zu analysieren und entsprechend zu therapieren.
So gesehen sind die Schneidezähne ein essentieller Bestandteil der Biomechanik des Pferdes und häufig sogar ein Spiegel der orthopädischen Verfassung.
Vorher-nacher Ansicht eines 23-jährigen Wallachs. Deutlich erkennt man auf dem ersten Bild die von links nach rechts absteigende Diagonale. Auch die Mittellinie des Unterkiefers ist ca. 4 mm nach rechts verschoben. Meist ist in solchen Fällen auch die Muskulatur der rechten Seite verkürzt und das Pferd beim Reiten rechts hohl.
Auch durch exzessives Koppen oder das Wetzen an Metallgittern können die Schneidezähne stark in Mitleidenschaft gezogen werden. Eine solche Diagonale ist mangels Zahnsubstanz natürlich nicht mehr zu korrigieren. Eine Röntgenuntersuchung ist anzuraten, da die Pulpen (das Leben) eröffnet wurden und eine Entzündung des Zahninneren nicht ausgeschlossen werden kann.
"Der frisst aber doch noch"
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Die Schneidezähne - das Tor zur Maulhöhle
Zusammen mit dem Kiefergelenk und der Kaufläche der Backenzähne bilden die Schneidezähne den dritten Anteil eines ausgeklügelten Gleichgewichts, das einen physiologischen Kauvorgang ermöglicht.
Da die Schneidezähne, wie im Kapitel über die Wildpferde bereits ausgeführt, bei unseren Hauspferden aber kaum noch Abnutzung erfahren, werden sie oftmals immer länger. Dadurch verschiebt sich das Druckgleichgewicht zwischen Kiefergelenk, Backenzahnkaufläche und Schneidezähnen.
Die Backenzähne stehen weiter auseinander, dadurch muss das Pferd mehr Druck ausüben, um auch kleine Haferkörner oder feines, weiches Heu noch mahlen zu können. Belastet wird schließlich besonders das Kiefergelenk und die Schneidezähne, die häufig entzündlich auf diesen Dauerstress reagieren.
Werden dann zusätzlich nur die Backenzähne bearbeitet und hierbei aufgrund von Wellen oder Rampen auch die Kaufläche stark geschliffen, gerät dieses Ungleichgewicht noch weiter aus den Fugen. Schließlich entsteht das, für alte Pferde „typische“ Pinzettengebiss, bei dem sich die Schneidezähne immer weiter herausdrücken und Parodontosen. Auch die Entstehung von EOTRH aufgrund von erhöhtem Druck (neben weiteren Faktoren) wird aktuell diskutiert.
Um Drucküberlastungen des Schneidezahnhalteapparates zu vermeiden sollte vor und nach der Behandlung immer die Okklusion (Reibung) der Backenzähne kontrolliert und wenn nötig durch gezieltes Einkürzen der Schneidezähne verbessert werden.
Umgekehrt kann man bei der allgegenwärtigen Diskussion über EOTRH und die Extraktion von Schneidezähnen zu dem Eindruck gelangen, dass die Schneidezähne beim Pferd ohnehin nahezu überflüssig sind. Hier macht es immer wieder Sinn sich vor Augen zu halten, dass die Schneidezähne neben dem Abzupfen von Gräsern und dem Nagen an Holz auch für das Sozialverhalten eine wichtige Rolle spielen. Sowohl beim Austragen von Rangordnungsstreitigkeiten, als auch bei der Fellpflege sind die Schneidezähne aus Sicht der Pferde sicher kaum zu ersetzen.
Eine diagonale Schneidezahnkontur kann sowohl die Ursache, aber auch die Folge einer asymmetrischen Bemuskelung oder eines asymmetrischen Bewegungsablaufes sein. Häufig kann man aufgrund der angekauten Schiefe schon Rückschlüsse ziehen welches die hohle Hand beim Reiten ist und in welche Richtung sich die Muskulatur verkürzt hat.
Tritt eine derartige Schiefe immer wieder auf, sollten solche Befunde systematisch angegangen werden. Nur so lassen sich langfristige orthopädische Probleme verhindern oder zumindest abschwächen. Meist ist eine längerfristige Zusammenarbeit mehrerer Pferdefachleute notwendig, um solche Probleme in den Griff zu bekommen.
Zunächst sollte die Ursache gesucht werden. Das kann sowohl ein Zahnproblem, häufiger aber auch eine orthopädische Symptomatik sein. Manchmal liegt das Problem im wahrsten Sinne des Wortes auch weiter oben und entweder der Sattel ist schief, oder auch der Reiter selbst.
Ein wichtiger Baustein ist natürlich die Wiederherstellung einer gleichmäßigen Okklusion der Zähne, einschließlich der Begradigung der Schneidezähne.
Im Anschluss ist jedoch genauso wichtig, dass die muskuläre Verspannung und Blockaden gelöst werden. Bei Pferden mit bekannten Problemen ist es geschickt die Zahnbehandlung und den anschließenden Termin mit Osteopath/in oder Chiropraktiker/in so zu timen, dass ca. 10-14 Tage zwischen den Terminen liegen. Auch der Trainingsplan sollte entsprechend mit dem Reitlehrer oder Physiotherapeuten angepasst werden.
Aus eigener Erfahrung macht es Sinn bei immer wieder auftretender Schiefe, Taktstörungen oder sogar Lahmheiten lieber einmal konsequent eine umfangreiche, systematische Diagnostik in einer spezialisierten Klinik zu betreiben, als frustriert immer wieder an neuen Symptomen herum zu doktern. Mittlerweile gibt es durch Hilfsmittel wie den „Lameness locator“ die Möglichkeit auch komplexe Lahmheiten zu analysieren und entsprechend zu therapieren.
So gesehen sind die Schneidezähne ein essentieller Bestandteil der Biomechanik des Pferdes und häufig sogar ein Spiegel der orthopädischen Verfassung.
Vorher-nacher Ansicht eines 23-jährigen Wallachs. Deutlich erkennt man auf dem ersten Bild die von links nach rechts absteigende Diagonale. Auch die Mittellinie des Unterkiefers ist ca. 4 mm nach rechts verschoben. Meist ist in solchen Fällen auch die Muskulatur der rechten Seite verkürzt und das Pferd beim Reiten rechts hohl.