...aber bei den Wildpferden und Zebras macht doch auch niemand die Zähne...
…ist einer der häufigsten Sätze, die man von Nichtreitern, aber auch von langjährigen Pferdehaltern zu hören bekommt, wenn sie zum ersten Mal mit dem Thema Zahnbehandlung beim Pferd konfrontiert werden.
Hierbei wird jedoch gerne vergessen, dass unsere Hauspferde ihre Haltung kaum noch etwas mit den wild lebenden Kollegen in der mongolischen Steppe, der Serengeti oder ähnlich kargen Gebieten gemein hat.
Zudem hat auch nie jemand untersucht wie viele Wildpferde und Co. tatsächlich im Laufe der Jahrtausende durch Karies, Zahnfrakturen oder einfach eine ungünstige Kieferstellung frühzeitig verhungert oder an Septikämien verendet sind. Damit kann eine schlechte Zahngesundheit durch natürliche Selektion weitgehend aus dem Genpool der Wildequiden eliminiert worden sein.
UNSERE HAUSPFERDE SIND BEIM FRESSEN BEQUEM (GEMACHT) GEWORDEN

Holz zum Nagen ist eine nette Beschäftigung, zum Einkürzen der Schneidezähne jedoch nicht ausreichend
Die Schneidezähne werden allenfalls noch genutzt, um Möhrchen abzubeißen oder auf der Weide weiches, strukturarmes Gras abzuknipsen.
An Energiemangel leiden die wenigsten unserer Pferde. Energiereiches, häufig zuckerreiches Heu findet sich kiloweise im Stall oder in der Heuraufe. Rohfaser ist, besonders beim zweiten Schnitt, dafür oft eher weniger enthalten. Das bedeutet dass das Pferd schließlich, ohne viel Kauarbeit leisten zu müssen, mit ausreichend (wenn nicht sogar zu viel) Energie versorgt wird.
Wirklich verholzte Stängel werden links liegen gelassen und wo gibt es noch Bäume oder Baumstämme an denen die Pferde tatsächlich nagen dürfen? Das fällt dann mehr unter unerwünschtes Verhalten, insbesondere wenn es den Weidezaun und die Boxenwand betrifft und wird mit großem Erfindungsreichtum unterbunden.
Auch die Backenzähne müssen lange nicht mehr im gleichen Ausmaß, wie bei den Wildequiden arbeiten. Deren Zähne müssen bereits beim Kauen das Beste aus allen Stängeln herausholen, um eine ausreichende Verdaulichkeit zu erreichen.
viel energie, wenig Kauarbeit - das Kraftfutter

Probleme mit der Raufutteraufnahme können und dürfen nicht über höhere Kraftfuttermengen ausgeglichen werden. Die leicht verdaulichen Kohlenhydrate übersäuern den Magen und bringen den Darm und den Zuckerhaushalt völlig durcheinander
Einen weiteren Beitrag leistet hier das Krippenfutter. Mit Getreide und Müslis wird den Pferden eine weitere schnell verfügbare, leicht verdauliche Energiequelle geboten, ohne dass sie etwas dafür tun müssen (Nahrungssuche). Von der Krippe landet es ohne große Umschweife und ohne große Kauarbeit direkt im Magen. Auch so genannte Strukturmüslis erhöhen die Kauleistung nachweislich nicht, sie verlangsamen im Gegenteil sogar die Darmpassage und verursachen fehlerhafte Gärprozesse und Probleme wie Kotwasser.
Dieser Absatz soll nicht dazu führen, dass die Pferde wieder weniger Heu gefüttert bekommen. Die Erhöhung der Daumenregel 1kg pro 100kg Körpergewicht auf 1,5 kg Heu pro 100kg KGW durch die Landwirtschaftskammer ist ein elementarer Schritt in der Pferdeversorgung und ein Beitrag zu weniger Koliken und Magengeschwüren. Aber er ist die Erklärung für die Notwendigkeit der Zahnbehandlungen unserer Hauspferde, die eine anatomische und verhaltensphysiologische Folge der Domestikation unserer Equiden sind.
Die Welt der Backenzähne
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