Die Ernährung des Rentnerpferdes

Grundsätzlich gilt im Pferdeleben : Mit einem qualitativ hochwertigen Heu kann man erstmal nichts falsch machen. Dazu noch ein passendes Mineralfutter und schon sind die meisten Freizeitpferde bedarfsgerecht und gesund versorgt.

Fehlt irgendwann allerdings die entsprechende Malstruktur auf einem Großteil der Zähne (wann dieser Punkt gekommen ist, ist individuell sehr unterschiedlich) dann kann das angebotene Futter nur noch gequetscht, aber nicht mehr gekaut werden. Die sichtbare Folge sind Heuwickel, die das Pferd beim Raufutter fressen verliert. Weniger sichtbar ist, dass  das Futter durch die gröbere Struktur auch im Darm nicht mehr ausreichend aufgeschlossen werden kann. Dadurch steht dem Pferd einerseits nicht mehr ausreichend Energie zur Verfügung, andererseits werden aber auch die im Futter enthaltenen Mineralstoffe und Spurenelemente nicht mehr in der selben Menge aufgenommen wie früher.

Probleme mit der Raufutteraufnahme können und dürfen nicht über höhere Kraftfuttermengen ausgeglichen werden. Die leicht verdaulichen Kohlenhydrate übersäuern den Magen und bringen den Darm und den Zuckerhaushalt völlig durcheinander

Diese Veränderung lässt sich über eine angepasste Fütterung ausgleichen. Das ist allerdings sowohl arbeits- als auch kostenintensiv. Die fehlende Energiemenge darf nicht über Kraftfuttergaben ausgeglichen werden. Diese würden den Darm aufgrund der enthaltenen Stärke und Zucker unphysiologisch belasten und haben nur eine sehr kurzzeitig verfügbare Energie. Auch angebotene Seniorenmüslis können und dürfen die fehlende Heuration nicht ersetzen.

Solange noch Heu gekaut werden kann, muss man damit rechnen, dass Rentnerpferde die doppelte Zeit benötigen um dieselbe Menge Heu aufzunehmen wie in jungen Jahren. In dieser Zeit sollten sie sich ungestört auf ihre Futteraufnahme konzentrieren können und nicht immer wieder durch Artgenossen von der Heuraufe verdrängt werden. Besonders in Offenstall- und Gruppenhaltungen muss kritisch beobachtet werden, ob die alten Pferde noch mit der Situation klar kommen. Eventuell muss man sie über einige Stunden separieren, damit sie ungestört fressen können (das gilt auch für den Ruhe- und Schlafbedarf).

Die einzig vertretbare Lösung fehlende Kauleistung durch die Backenzähne zu ersetzen ist die Fütterung von Heucobs. Das quasi vorgekaute Heu überspringt den ersten Schritt der Verdauung im Maul und startet direkt im Magen, wo es dann physiologisch weiter verarbeitet werden kann. Die schiere Menge und die vielen Portionen können einen zeitlich und finanziell aber an die Grenzen bringen.

Die Lösung für Pferde, die immer weniger Heu kauen können stellen Heucobs dar. Das Pferd bekommt die nötige Raufuttermenge quasi eingeweicht und vorgekaut. Mengenmäßig darf man sich hier allerdings keine Illusionen machen: Bei einem Pferd, das effektiv kein Heu mehr kauen kann, muss die gesamte Heumenge von ca. 2kg Heu pro 100kg Körpergewicht durch Heucobs ersetzt werden. Das bedeutet ein 500kg schweres Pferd benötigt pro Tag 10kg Heucobs in Trockenmasse. Das bedeutet natürlich auch dass ein einzelnes Pferd im Monat 12 25kg Säcke Heucobs wegfuttert!

Eingeweicht ist das eine ganze Menge! Wenn man sich vor Augen hält, dass das Pferd trotzdem ein Dauerfresser bleibt und der Magen- und Darmtrakt Fresspausen von mehr als 4 Stunden schon schlecht verträgt, sollten die Cobs schon mindestens auf vier Einzelportionen aufgeteilt werden. Protein und Aminosäuren sollte man mit Sojaextraktionsschrot oder Bierhefe ergänzen, Öle und Mineralfutter ergänzen die Ration.

Das Wohlbefinden eines Pferdes ist direkt mit der Zahl der Kaubewegungen gekoppelt. Zusätzlich wird über die Speichelproduktion beim Kauen auch die Magensäure gepuffert. Daher müssen auch Rentner, die vollständig über Heucobs ernährt werden, Heu zur Verfügung haben auf dem sie herum kauen können – auch wenn dann überall durchgekautes Heu als Heuwickel um die Raufe herum liegen.

Insgesamt sollte man sich die Zeit nehmen, die Ration einmal bedarfsgerecht durchzurechnen und nicht nach Gefühl mal von dem einen Müsli und am nächsten Tag von dem anderen Mash einfach irgendwas füttern.

Es gibt mittlerweile Tierärzte, die sich auf die Rationsberechnung und Fütterungsberatung spezialisiert haben. Diese Beratung kostet natürlich auch etwas (auch diese Kollegen müssen von ihrer Arbeit leben!), aber es lohnt sich in jedem Fall einen Experten hinzu zu ziehen, wenn man nicht sehr versiert in das Fütterungsthema einsteigen will.

Eine fundierte Fütterungsberatung erspart einem häufig auch viele Sorgen und Tierarztkosten, die man durch eine willkürliche Pi mal Daumen Fütterung häufig längerfristig verursacht.

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